Ute Flamich / 24.08.10 / OTZ
Die achtjährige Marina reibt sich die dunkelbraunen Augen. Sie umklammert den Hals ihrer Mutter, die sie auf dem Arm trägt. Das Mädchen ist noch müde, sie langweilt sich ganz im Gegenteil zu ihrer Mutter Ayako Takao und ihren Begleitern, dem Ehepaar Tatsuo und Shiho Yamada.
Langenwetzendorf. Denn für die Professorin an der Ferris University im japanischen Yokohama und für das Lehrer-Ehepaar aus der japanischen Stadt Hamamatsu gibt es viel Neues zu sehen und zu erfahren über die Unterrichtsmethoden an der Staatlichen Regelschule in Langenwetzendorf.
„Ayako Takao hatte angefragt, ob sie in ausgewählten Thüringer Schulen mehr über das Konzept Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005-2014, kurz BNE, erfahren kann, denn in diesem Bereich unterrichtet sie in Japan“, sagte Anke Schröpfer, BNE-Landeskoordinatorin des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Die UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ vermittelt Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nachhaltiges Denken und Handeln. „Die Menschen sollen in der Lage sein, selbst Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können und dabei abzuschätzen, wie sich das eigene Handeln auf künftige Generationen oder das Leben in anderen Weltregionen auswirkt“, sagte Anke Schröpfer, die gestern gegen 10.30 Uhr gemeinsam mit den vier japanischen Gästen in Langenwetzendorf ankam. Denn die Bio-Landschule, die auch den Titel „Umweltschule“ trägt, sei ein gutes Beispiel für die Umsetzung des BNE-Konzeptes, so Anke Schröpfer.
* Gäste aus Japan zu Besuch in der Bio-Landschule Langenwetzendorf.
Und so wurde den Gästen von Schulleiterin, Lehrern und zwei Schülerinnen präsentiert und erzählt, wie in der Regelschule unterrichtet wird und welche speziellen Projekte es gibt. Der von den Jungen und Mädchen angelegte Schulgarten wurde inspiziert, über Plakate zu Themen wie Geocoaching und Umweltschule diskutiert und natürlich gab es auch ein Mittagessen für die Japaner: Schnitzel mit Kartoffeln und Erbsen-Möhren-Gemüse. Das Essen und die Küchenfrauen wurden im Bild festgehalten, dann konnte erst gespeist werden. Dann war die Frage von Ayako Takao erlaubt, ob die Kartoffeln aus dem schuleigenen Garten sind. Waren sie nicht, doch die Gäste bestätigten auch so mehrmals, wie lecker das Essen sei. Nach der Mittagspause ging die Besichtigungstour im Eiltempo weiter, schließlich standen am Nachmittag noch Besuche im Bauernmuseum Nitschareuth und im Bio-Seehotel an. Mit letzterem hat die Bio-Landschule, die sich schon seit langem für Umweltschutz und Nachhaltigkeit einsetzt, eine Kooperationsvereinbarung.
* Gäste aus Japan zu Besuch in der Bio-Landschule Langenwetzendorf.
Doch bevor das Taxi mit den Gästen und der Dienstwagen der BNE-Beauftragten sich Richtung Nitschareuth bewegten, brannten die Gäste wahrlich darauf, alles Interessante in der Schule zu sehen, im Bild und auf dem Papier festzuhalten.
So warfen sie einen Blick in die „China-Ausstellung“ in der Schule. Vor den Sommerferien hatte die damals neunte Klasse begonnen, sich mit dem Reich der Mitte, dessen Ethik, Kultur, Sprache und Religion auseinanderzusetzen. Besonders beeindruckt waren die Japaner vom fächerübergreifenden Unterricht, der auch im China-Projekt deutlich wurde: In den Fächern Musik, Kunst und Kochen wurde über das Land gesprochen. „Fächerübergreifende Projekte gibt es in japanischen Schulen nicht“, sagte Ayako Takao, die sich von der Form dieser Unterrichtsgestaltung begeistert zeigte. Und noch etwas erstaunte die Besucher: „In Japan sind alle Lehrer verbeamtet“, sagte Ayako Takao.
Überhaupt sei das Schulsystem in ihrer Heimat ganz anders. „Es ist viel zentraler. Die einzelnen Fächer werden strikt voneinander getrennt unterrichtet. Es ist fast zu vergleichen mit dem Schulsystem, wie es zu DDR-Zeiten üblich war“, sagte die Hochschullehrerin aus Japan.